User:SteveDeweese213

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Einen "Brocken, an dem Rezensenten und Philologen mindestens ein Jahrzehnt lang zu würgen haben", so nannte Hans Magnus Enzensberger 1959 die "Blechtrommel".youtube.com In diesen Tagen, das Jahrzehnt ist noch nicht herum, gibt "Blechtrommel"-Autor Günter Graß der literarischen Welt einen neuen, nicht minder monströsen Brocken zu würgen: den 684-Seiten-Roman "Hundejahre".youtube.com Fast vier Jahre lang, seit Fertigstellung der "Blechtrommel", hat der heute 35jährige Erzähler, Dramatiker, Lyriker und Graphiker Graß an seinem zweiten Roman gearbeitet. Als er zwischendurch einmal nicht recht vorankam, schob er die Novelle "Katz und Maus" ein - sie konnte sein Renommee kaum mehren oder mindern. Erst die "Hundejahre" werden den ungewöhnlichen Erfolg des aus Danzig stammenden, in Berlin lebenden Autors auf die Probe stellen: Mit der "Blechtrommel" hatte Günter Graß der deutschen Nachkriegsliteratur einen ihrer wenigen Welterfolge erschrieben.


Grotesk und obszön, lästerlich und tendenzfrei, vital, aber alles andere als naiv, machte die "Blechtrommel" Furore und Skandal, erregte sie Ekel und Enthusiasmus. Sie lehrte schließlich auch das Ausland, daß von zeitgenössischer deutscher Literatur nun wieder mehr zu erwarten war als lederne Zeitkritik und verblasenes Experiment, mehr als Gesinnungsernst und Einfallsarmut, als brave Moral und stumpfer Stil. Mit seinem "wilden und bizarren Gesang", so befand der Pariser "Express", habe Graß der "zahmen deutschen Literatur wieder Klang verliehen". Was keinem hochliterarischen deutschen Buch nach 1945 gelang, schaffte der Graß-Roman: "Le tambour" wurde 1961 in Frankreich, "The Tin Drum" 1963 in den USA zum Bestseller. Mit Anstrengung und Ausdauer kauten die Kritiker den epischen Brocken durch. Der "durch die Erinnerungen eines pikaresken Zwerges vermittelte Alptraum vom Deutschland des 20. Jahrhunderts" ("Saturday Review") wurde als Allegorie oder Satire, als avantgardistischer Heimatroman, moderner Schelmenroman oder travestierter Bildungsroman gedeutet.


Grimmelshausen, Rabelais, Sterne, Jean Paul, E. T. A. Hoffmann, Melville, Joyce, Döblin ("Berlin Alexanderplatz") und die Gebrüder Grimm wurden dem jungen Autor als Vorbilder nachgesagt. Blechtrommler Oskar wurde mit Simplicius Simplicissimus und Tristram Shandy, mit Max und Moritz und dem Rattenfänger von Hameln verglichen, er wurde zu Parzival, Wilhelm Meister und Felix Krull in Beziehung gesetzt. Graß, resümierte "Time", "ist wahrscheinlich das erfindungsreichste Talent überhaupt seit Kriegsende". An Erfindungs- und Einfallsreichtum, an Witz und Präzision ("Amsels Kniestrümpfe mit Gummizug schnürten unterm Knie die dicklichen Waden ab: rosa Fleisch warf ein Puppenwülstchen") steht das neue Graß-Werk "Hundejahre" hinter der "Blechtrommel" nicht zurück.


Aber auch an Überlänge und Übergenauigkeit, an heißlaufender Phantastik und drastischer Rücksichtslosigkeit kann es sich mit dem Erstlingsbuch messen. Kernfabel ist die Geschichte einer komplizierten Blutsbrüderschaft: die Kain-und-Abel-Variante vom zähneknirschenden Müllersohn, Schüler, KP-Mann, SA-Mann, Schauspieler, Antifaschisten und Heimkehrer Walter Matern und seinem pfiffigen halbjüdischen Freund, dem Krämersohn, Schüler, Künstler, SA-Opfer, Ballettmeister und Vogelscheuchen-Fabrikanten Eduard Amsel. Der kräftige Knabe Walter beschützt den dicklichen Eddi vor seinen Altersgenossen, die ihn "Itzig" hänseln. Der SA-Mann Matern schlägt seinen Jugendfreund zusammen und "rollt" ihn im Schnee. Dem schmelzenden Schneemann entsteigt ein schlanker Amsel, der unter falschem Namen Naziregime und Krieg überlebt.youtube.com Nach dem Krieg versucht der Heimkehrer und Anti-Nazi Matern die Erinnerung an den mißhandelten Freund zu verdrängen, doch er kann Amsel, kann der ironischen Zuneigung des verratenen Blutsbruders schließlich nicht entgehen.


Schon der Blechtrommler Graß hatte, nach eigenem Zeugnis, "das Dritte Reich entdämonisieren" wollen. Dieselbe Absicht verfolgt er in seinem Hundejahrbuch. Gegen Ideologen-Bombast und Historiker-Pathos, gegen Mythen- und Theorien-Schwulst verschreibt Graß die penetrante Komik des Trivialen. Die Geschichte ist blutig, aber lächerlich; sie wird grundsätzlich von unten anvisiert und im banalen Detail erfaßt. In "Katz und Maus" wurde Joachim Mahlke nur wegen seines monströsen Adamsapfels zum Held und Ritterkreuzträger. Hundejahre, mehr nicht, sind Hitler-Deutschlands "große Zeit", sind die nicht zu bewältigende Vergangenheit und die konjunkturfrohe Gegenwart. Graß, der aggressive Infantilist, streckt - wie der Hund auf dem von Graß gezeichneten Buchumschlag - aller Prätention die Zunge heraus.


Auch in seinem neuen Roman hat der Autor Fiktion und Zeitgeschichte zu einem krausen Muster verstrickt. Es gibt fachmännische Exkurse über Schlag- und Faustballspiel, über Ballet-Exercise und Freibankfleisch, Großmutter-, Zigeuner-, Nonnen-, Ritter- und Pennäler-Geschichten: brillante, aber meistens allzu ausführliche Geschichten. Ein Bravourstück liefert der "Zigeunervirtuose unter den jungen deutschen Erzählern" (Marcel Reich-Ranicki über Graß) mit einem Kapitel, in dem das Wirtschaftswunder einmal nicht sozialkritisch bejammert, sondern grotesk veralbert wird. Graß läßt die nachkriegsdeutsche Presse-, Politiker- und Industrie-Prominenz Revue passieren - als Klientel der prophetisch begabten Mehlwürmer des heimatvertriebenen Müllers Matern. Eine andere Glanznummer im Roman-Zirkus Graß ist die Geschichte von Walter Materns schaurig-komischer Entnazifizierungs-Tour. Kreuz und quer reist der Heimkehrer aus einem englischen Antifa-Lager mit dem ihm zugelaufenen Ex-Führerhund Prinz, jetzt Pluto genannt, durch Nachkriegsdeutschland, um sich an ehemaligen Nazis zu rächen.


Matern sucht Göttingen, München, Stade, Witzenhausen, Kleve, Freudenstadt und Rendsburg heim, ferner Oldenburg, Detmold, Passau und Bielefeld, "wo die Makkowäsche blüht und der Kinderchor singt". Er trifft im Heide-Versteck den gewesenen Pimpfenführer Uli Göpfert, der sich später "nach Umwegen den Liberalen anschließen und als sogenannter Jungtürke in Nordrhein-Westfalen Karriere machen" wird. Doch Materns private Spruchkammer-Praxis zeitigt nur Halbheiten: Dem einen Ex-Nazi verbrennt er die wertvolle Briefmarkensammlung, einem anderen defloriert er die Tochter. Der Heimkehrer prallt am dicken Fell seiner moralisch nicht irritierbaren Landsleute ab. Der Rache-Reisende Matern erliegt schließlich den immer neuen erotischen Freuden, mit denen er auf seiner Tour de force durch das Milieu der alten Kämpfer beschwichtigt wird.youtube.com In Saarbrücken zieht er sich ein Leiden zu, für das Graß, neben vielen anderen Umschreibungen, die Volksmundprägung "Edelschnupfen" parat hat.


Die "Hundejahre" sind, was der "New York Times" schon der Roman vom Blechtrommler Oskar war: "ein teutonischer Nachtmahr". Und wiederum nimmt alles seinen Anfang dort, wo schon der erste Graß wurzelte, wo er auch "Katz und Maus" spielen ließ. Nicht nur Trommelbube Oskar ist am Rande wieder mit von der Partie, auch seine Väter, der deutsche Kolonialwarenhändler Matzerath und der polnische Postsekretär Bronski, finden Erwähnung. Tulla Pokriefke, das gräßliche Gör aus "Katz und Maus", wuchs in "Hundejahre" zu einer Hauptfigur heran. Die "Stäuberbande" aus der "Blechtrommel", die Studienräte Brunies und Mallenbrandt aus "Katz und Maus" kommen vor, und auch die Aale sind wieder da - diesmal hängen sie, Milch säugend, an Kuheutern. Mit dem neuen Roman wird deutlich, daß Graß, unbekümmert um mögliche Grenzen des Leserinteresses, auch weiterhin und nun erst absichts- und planvoll auf der Suche nach der verlorenen Heimat schreibt.


Im Kleinbürger- und Arbeiter-Vorort Danzig-Langfuhr, der dem "Hundejahre"-Erzähler welthaltig genug erscheint, in der Welt Oskar Matzeraths und Walter Materns, wurde Günter Wilhelm Graß am 16. Oktober 1927 geboren.youtube.com Der Sohn eines Kolonialwarenhändlers und einer Mutter von kaschubischer Abstammung zeigte sich schon früh vielseitig begabt: Er zeichnete, malte und machte sich als 13jähriger, angeregt durch ein Preisausschreiben der NS-Schulzeitschrift "Hilf mit!", an die Niederschrift seines ersten Romans. Graß durchlief die generationstypischen Stationen als Pimpf, Hitlerjunge und Luftwaffenhelfer. Der einst hitlerfreundliche Philosoph Martin Heidegger (Graß: "Der wurde geboren in Meßkirch. Das liegt bei Braunau") wird als "alemanische Zipfelmütze" und "skilaufendes Nichts" verhöhnt, seine esoterische Sprache wird als mystifizierende Umschreibung von NS-Ideologie und NS-Terror geschmäht.


Daraufhin spielen letzte Sender Götterdämmerung. Daraufhin tritt im Regierungsviertel der Reichshauptstadt Funkstille ein. Die Platzganzheit, die Nichtung, angstbereit und zusammenstückbar. Die Großheit. Die Gänze. Die Hergestelltheit Berlin. Die Verendlichung. An Führers letztem Geburtstag wurde der 17jährige Graß bei Kottbus verwundet. Er kam nach Marienbad (Tschechoslowakei) ins Lazarett und von dort nach Bayern in amerikanische Gefangenschaft. Im Frühjahr l946 wurde er ins Rheinland entlassen.youtube.com Er arbeitete zunächst bei Bauern, dann in einem Kalibergwerk bei Hildesheim. Von einem Versuch, in Göttingen das Abitur nachzuholen, nahm der unfertige Gymnasiast nach kurzem Anlauf wieder Abstand.youtube.com Seine Pütt-Zeit hat Graß im "Hundejahre"-Roman auf eine für ihn bezeichnende Weise ausgewertet.


Er verwandelte jenes reale Bergwerk in die phantastische Vogelscheuchen-Fabrik des Herrn Brauxel alias Eduard Amsel, die im Schlußkapitel des Romans zu einer infernalisch-satirischen Menschheits-Allegorie, zur "durchorganisierten Hölle" wird. Andererseits lokalisierte er sein Phantasie-Bergwerk durchaus realistisch zwischen Hildesheim und Sarstedt und beschrieb den Grubenbetrieb technisch exakt. Um seine Erinnerung zu überprüfen und seine Erzählung verifizieren zu können, war Graß ("Ich kann nur über das schreiben, was ich wirklich kenne") 1962 noch einmal in eine Schwestergrube des Kalibergwerks eingefahren, in dem er 1947 gearbeitet hatte. Um seine Danzig-Erinnerungen aufzufrischen, reiste der Romancier bisher dreimal in die heute polnische Stadt. Graß schreibt seine Bücher in drei Etappen. Die erste Niederschrift folgt dem Einfall, der Erinnerung, der Phantasie. Dann füllt er "Lücken" mit dokumentarischem Material.


Für die "Hundejahre" wertete er unter anderem die "Lagebesprechungen im Führerhauptquartier", das "Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht" und mehrere Fachbücher über das Schlagballspiel aus; für die Wirtschaftswunder-Satire holte er sich Rat bei Berlins Wirtschaftssenator Professor Schiller. Zuletzt pflegt Graß diese zweite Fassung so lange zu feilen, bis die eingefügten Fakten nicht mehr als Fremdkörper wirken. Ende 1947 wollte sich Graß in Düsseldorf an der Kunstakademie einschreiben. Weil die Akademie wegen Kohlenmangel geschlossen war, ging er einstweilen bei den Düsseldorfer Firmen Göbel und Moog in die Steinmetz-Lehre. Bis 1948 meißelte er - wie sein Oskar - hauptsächlich Grabsteine. Graß, "begann dann das große Fassadengeschäft".


In Düsseldorf hatte er auch seine Schwester vorgefunden, die in einem Krankenhaus als Hebamme tätig war. Sie machte den hungrigen Bruder mit der Küche des Hauses und vielen hilfreichen Krankenschwestern bekannt. Graß wurde im Spital, so sagt er, "in jeder Hinsicht verköstigt". 1949 öffnete sich dem jungen Kunstwilligen die Akademie. Bei dem Bildhauer Sepp Mages und dem Maler Otto Pankok, die in der "Blechtrommel" unter den Namen Maruhn und Kuchen karikiert sind, lernte Graß modellieren und zeichnen. Nebenbei jazzte der Kunststudent als Waschbrett-Rhythmiker und Begleiter des Graphikers und Blockflöten-Solisten Horst Geldmacher (in der "Blechtrommel": Egon Münzer, genannt Klepp) in Düsseldorfer Altstadt-Lokalen; nebenbei schrieb er Gedichte und Theaterszenen. Die Düsseldorfer Erlebnisse fanden im Graß-Werk zwiespältigen Niederschlag: Die grotesken Szenen im Snob-Lokal "Zwiebelkeller", wo sich die Gäste durch tränenförderndes Zwiebelschälen und Oskars Getrommel enthemmen lassen, markierten den Beginn des Wirtschaftswunders.


Pestbeute, diese Beleidigung eines nicht vorhandenen Gottes, dieser Mostrichklaks, angetrocknet zwischen Düssel und Rhein, dieses stockwerkhoch abgestandene obergärige Bier, dieser Abortus, liegengeblieben, nachdem Jan Weiten die Loreley besprungen. Kunststadt nun, Ausstellungsstadt, Gartenstadt. Hier litt und stritt Grabbe. Von Düsseldorf zog Graß 1953 nach Berlin. Er wurde Schüler des Metallplastikers Karl Hartung. In Berlin kam er - zunächst weniger durch eigene Initiative - auch der Literatur näher.youtube.com Ein Freund, der Maler und Plastiker Ludwig Gabriel Schrieber, übergab einige Graß-Gedichte an [http://www.gemaldekaufenonline.com/karl-hauptmann-c-1_190.html Karl Hauptmann Gemälde kaufen] Hofer, der sie Gottfried Benn vorlegte. Altmeister Benn, damals auf der Höhe seines zweiten Ruhmes, prüfte die Lyrik-Proben, bescheinigte Talent, gab aber den Rat, der junge Nachwuchsautor solle sich erst einmal in Prosa üben.


Der Ratschlag wurde nicht befolgt. Zwar machte Graß damals schon Pläne und Notizen zu einem epischen Prosawerk, der späteren "Blechtrommel", doch einen Roman, so sagt er heute, habe er sich nicht zugetraut. Er zeichnete, modellierte und schrieb vorerst weiter Verse, verfaßte außerdem Dramatisches und Ballett-Libretti. 1955 erhielt er den Dritten Preis in einem Lyrik-Wettbewerb des Süddeutschen Rundfunks.youtube.com Dichtergattin Anna Margareta - Graß heiratete die Schweizer Tänzerin aus gutsituiertem Hause 1954 - hatte einige Verse aus der Schublade genommen und nach Stuttgart eingesandt. Der Funk-Preis trug dem bis dahin unbekannten Autor eine Einladung der "Gruppe 47" ein, sein Auftritt in Hans Werner Richters literarischem Wander-Salon verhalf ihm zu einem Verlag: 1956 erschien bei Luchterhand das erste Graß-Buch: "Die Vorzüge der Windhühner".


Der Gedichtband war mit Graß-Graphik angereichert und, wie auch alle folgenden Graß-Bücher, mit einem vom Autor entworfenen Umschlag versehen. Zu der Umschlagzeichnung für "Katz und Maus" - sie zeigt eine Katze mit umgehängtem Ritterkreuz - ließ Graß sich durch ein SPIEGEL-Titelbild Erich Mendes inspirieren. Als Zeichner betätigt sich Graß auch heute noch, zum Beispiel immer dann, wenn er beim Schreiben ins Stocken gerät. Graß-Graphik und Graß-Lyrik (1960 erschien der zweite Gedichtband, "Gleisdreieck"), von Hans Arp, Alfred Kubin und immer noch Ringelnatz beeinflußt, sind motivisch eng mit dem übrigen Graß-Werk verknüpft. Was in den Zeichnungen Figur, in den Versen Metapher ist - ein Arsenal extrem privater Fetische und höchst subjektiver Symbole: Nonnen, Puppen, Hühner, Köche, Vogelscheuchen -, findet sich, zur Erzählung oder zur Szene entfaltet, in den Romanen und Stücken wieder.


Die Graß-Prosa ist stellenweise lyrisch gegliedert, die Komposition der Romane vom Formgefühl des Plastikers und Graphikers geprägt. Mit seiner Lyrik fand Graß naturgemäß nur geringe Resonanz. Aber auch mit seinen Theaterstücken ("Beritten hin und zurück", "Hochwasser", "Onkel, Onkel", "Noch zehn Minuten bis Buffalo", "Die bösen Köche", "Zweiunddreißig Zähne") hatte er wenig Erfolg. Die kleinen und mittelgroßen, farcenhaft-poetischen Spiele, die seine Kritiker zumeist mißbilligend mit den Pariser Absurdisten verglichen, wurden entweder nicht oder nur in Studio-Theatern oder aber - so meint der Autor - schlecht und falsch aufgeführt. Graß besteht heute nicht mehr unbedingt darauf, daß der Mißerfolg alle seine Stücke zu Unrecht getroffen habe.


Doch aus Ärger über das Theater, so behauptet er nach wie vor, habe er sich schließlich auf die Epik geworfen: In der "Blechtrommel" verarbeitete er mehrere Schauspiel-Ideen. 1956 zog das Ehepaar Graß nach Paris. Frau Anne wollte sich tänzerisch weiterbilden, der Schriftsteller suchte an der Seine "literarischen Abstand vom Berliner Jargon", der ihm "vor allem als Bühnenautor zu verführerisch" erschien. In einem Pariser Hinterhaus, Avenue d'Italie 111, entstand das Buch von Oskar, von Danzig, den Kaschuben und Düsseldorf. Es waren entbehrungsreiche Jahre. Graß, der vom Luchterhand-Verlag mit monatlich 300 Mark unterstützt wurde, hat nie die Verdienstmöglichkeiten genutzt, die viele seiner Kollegen ernährten: Er schrieb und schreibt keine Hörspiele, Features und Nachtprogramme und nur selten für Zeitungen. Als Nothelfer bewährte sich "Akzente"-Herausgeber Walter Höllerer, der Graß-Texte in seiner Literatur-Zeitschrift abdruckte und großzügig honorierte.